Jetzt haben wir endlich den gewünschten Zustand. Wir sind verheiratet und nun wird alles gut. Aber wieso fühlt sich das dann nicht auch anders an? Ich bin von Natur aus misstrauisch, also warte ich ab, was mit uns passiert.
Gibt es vielleicht einen
abflachenden Gewöhnungseffekt?
Ändert sich unser Verhältnis
schleichend?
Was wird mit meinen eigenen Gefühlen?
Aber es ändert sich nichts zwischen uns. Meine Frau ist gleichbleibend freundlich und tolerant - so, wie ich sie kennen und lieben gelernt habe. Was bin ich für ein Glückspilz.
Meine eigenen Gefühle ändern sich schon - aber sehr positiv. Ich werde mir ihrer Zuneigung immer sicherer. Immer seltener hege ich Befürchtungen, was meine Aktionen wohl auf der anderen Seite des Bettes für Reaktionen hervorrufen. Ab und an frage ich direkt nach, ob sie etwas vermisst oder ob ich in bestimmten Situationen anders hätte handeln sollen. Ihre Antworten streicheln meine Seele und mein Selbstbewusstsein. Eva ist eher erstaunt ob meiner Nachfragen.
„Alles ist gut - wenn irgendetwas nicht gut läuft, melde ich mich schon.“ Zur Bestätigung werde ich bei solchen Anlässen meist in den Arm genommen, und Eva küsst dann sehr überzeugend.
Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin wahrlich kein Supermann. Ich bin immer noch derselbe Typ, der mit seinen spontanen Aktionen „aus dem Arsch heraus“ in seiner ersten Ehe solche Probleme hatte. Ich haue auch bei Eva so manches Mal Dinge heraus, die nach reiflicher Überlegung vielleicht besser drin geblieben oder gefälliger hätten vorgebracht werden können. Aber die Reaktionen meiner neuen Frau sind halt wesentlich undramatischer und positiver als die, die ich aus meiner ersten Ehe kenne.
Es taucht allerdings hier und da kurzzeitig ein Problem zwischen uns auf, wenn ich besonders impulsiv agiere. Eva kann es gar nicht leiden, wenn ich Konflikte mit der Faust zu lösen versuche. Ich neige zum Beispiel immer noch dazu, besonders nervige Reibereien mit Gewalt zu lösen - besonders dann, wenn mein Konfliktpartner eher uneinsichtig ist. Am Vancouver Airport zum Beispiel bin ich so wütend auf eine KLM-Angestellte, dass ich ihr lautstark Prügel androhe und inflationär das F-Wort benutze, weil diese sich weigert, unsere Umbuchung noch am selben Tag vorzunehmen - sie hatte offenbar Feierabend. Mit einem Polizisten gerate ich ebenfalls körperlich aneinander, als dieser statt unserer Zuwegung quer über unsere frisch angesäte Blumenwiese trampelt. Blasphemie muss einfach direkt bestraft werden, und ich befördere ihn nur mit kleinen Stupsern meines Bauches - wie ein Prellbock - Stück für Stück zurück in sein Dienstfahrzeug.
Nicht immer erreiche ich mit solchen Aktionen meine Ziele, und immer um den Preis einer deutlichen Unmutsäußerung von Evas Seite. Okay, das wird bei ihr nie zu einem wirklichen Drama und wird auch schnell wieder ad acta gelegt. Im Laufe der Jahre passe ich mich zumindest insoweit an, dass ich solche Aktionen in Evas Gegenwart zunehmend vermeide. Es scheint eine Art „Altersmilde“ zu sein, die mich dazu bringt, nicht gleich draufzuhauen, sondern vorher auch mal zu fragen, wo er es gerne hinhaben möchte. Vielleicht gebe ich mir mit einem Arschtritt große Mühe, und er hätte es lieber gerne von vorne gehabt …
Langsam gewöhne ich mich an dieses wohlige Gefühl und genieße unser Eheleben. Meine Gefühle für meine Frau sind durchgehend angenehm, und ich richte mich ein mit dieser Liebe. Ich kann definitiv nicht verstehen, was manche Leute daran finden, allein vor sich hin zu leben. Das mag auch daran liegen, dass wir bei passenden Gelegenheiten von unserem „Ehevertrag“ erzählen. Es sei noch ein „alter Vertrag“, behaupten wir dann. Eva hätte geschworen, mir ein Leben lang zu willen zu sein, und ich hätte dafür die Steuererklärung übernommen - was ja auch zumindest partiell so stimmt. Für diesen Vertrag werde ich jedenfalls von den anderen Männern meiner „Paviangruppe“ heiß beneidet. Dass es sich hier um unser T-Konto auf der Brötchentüte handelt, die längst den Weg alles Irdischen gegangen ist, weiß ja keiner.
Eva will jetzt unbedingt das rote Moped fahren und meldet sich in Werners Fahrschule an. Ich empfand es bisher zwar immer als sehr angenehm, wenn sich ihr weiblicher Körper während der Fahrt fest an meinen Rücken schmiegte, aber ihr Wunsch nach einem eigenen Motorrad geht hier eindeutig vor.
Werner kenne ich schon sehr lange. Ich habe ihm damals öfter geholfen, seinen Computer zu nutzen, und er verspricht Eva, sie durch die Zweirad-Prüfung zu bringen. Zu dieser Zeit gilt noch der Stufenführerschein. Der sieht vor, dass in den ersten zwei Jahren nur Motorräder mit kleiner Leistung gefahren werden dürfen - völlig unbegreiflich, warum dieses sinnvolle Gesetz wieder abgeschafft wurde. Heute wird jeder junge Nachwuchs-Hasadeur gleich mit einer 100-PS-Maschine auf die Menschheit losgelassen.
Wir ergattern für Eva (1,59 m) einen kleinen japanischen Soft-Chopper mit 27 PS Twin auf dem Gebrauchtmoped-Markt, den wir mit Windschild und Packtaschen zu einem durchaus tourentauglichen Motorrad umbauen. Diese Hondkawamazuki hat den Vorteil, dass Eva immer mit beiden Füßen die Erde erreicht. Trotzdem kommt sie ab und an auch mit dieser kleinen Maschine in Situationen, aus denen sie alleine nur schwer wieder herauskommt. Sie lernt aber schnell, solche Situationen zu vermeiden:
nirgendwo reinfahren, wo man nicht
vorwärts wieder herausfahren kann (ein motorisiertes Einspurfahrzeug
hat eben keinen Rückwärtsgang) und
nirgendwo anhalten, wo man
nicht mit beiden Füßen an die Erde kommt.
Dass man das Tor einer Tiefgarage nicht mehr öffnen kann, wenn man mit dem Motorrad direkt davor zum Stillstand kommt, oder dass selbst ein kleines Motorrad zu schwer ist, um es rückwärts selbst einen kleinen Berg hochzuschieben, sind Dinge, die man am besten in der Praxis lernt - wenn man einen liebevollen Ehemann dabei hat, der bei Bedarf hilfreich einspringen kann. Es ist einfach schön, ein Held zu sein.
Wir haben definitiv eine Menge Spaß zusammen, und das Motorradfahren entwickelt sich zu unserer liebsten Freizeitbeschäftigung. Mit Stolz beobachte ich, wie Evas Fahrkünste mit der Routine schnell zunehmen. Meine Frau fährt von Anfang an immer vorneweg. Sie hat zwar oftmals keinen Plan, wo wir gerade sind, aber sie fährt nach Gefühl und biegt mal hier, mal da ab - immer auf schmalen Wegen durch unsere schöne norddeutsche Heimat. Ab und an greife ich ein, damit wir auch wieder nach Hause finden, aber ansonsten lassen wir uns von Evas Gefühl und dem Sonnenstand treiben.
Irgendwie finden wir auf dem Rückweg immer einen kleinen Umweg über Bad Oldesloe und landen auf ein Altbier im Glacehaus. Das ist ein Bistro mit guter Küche und ein beliebter Platz für Motorradfahrer aller Couleur. Von hier aus sind wir in einer halben Stunde wieder im Haus.
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