Der Scheidungstermin zieht sich wie Kaugummi. Es stellt sich heraus: Wir brauchen mindestens einen Anwalt, der uns vor dem Familiengericht vertritt. Ein gemeinsamer Anwalt ist angeblich nicht möglich.
Der Anwalt sieht sich nämlich grundsätzlich als Vertreter einer Partei - und möchte auf keinen Fall in einen Interessenkonflikt geraten. Nicht mal versuchen möchte er es. Das feige Anwaltsluder.
Also lasse ich Sylvi den Anwalt bestellen und gehe selbst OHNE vor Gericht. Klar, das kann für mich nachteilig ausgehen - aber zwei Juristen, die auf unsere Kosten die Klingen kreuzen? Nein danke.
Bei meiner nächsten Wiedergeburt komme ich als Jurist auf die Welt. Die haben’s leicht. Juristen benötigen für ihre Rechnungen keinen Erfolg, nur Bemühungen. Dazu eine Gebührenordnung, die sich liest wie ein Freifahrtschein zur Geldvermehrung.
Wenn ein Klempner bei mir mit dem Satz ankommt: „Ich hab mich redlich bemüht, aber der Wasserhahn ist halt alt“, fliegt er im hohen Bogen raus, aber der Jurist darf sowas.
Juristen waren schon in der Antike die Elite. Sie machten die Spielregeln - und erklärten sie dem Fußvolk. So war’s gedacht. Die Maxime: „Der Jurist denke wie ein Philosoph, aber rede wie ein Bauer“ wird heute gerne deutschen Rechtsgelehrten zugeschrieben, soll aber bereits von Platon kolportiert worden sein.
Umso ironischer, dass heutige Juristen das Prinzip genau andersherum praktizieren: Sie reden wie Philosophen - und denken wie ... na ja, lassen wir das.
Vielleicht stammt daher meine tief verwurzelte Abneigung gegen diese Berufsgruppe. Wer freiwillig rote Zeitschriften wie die NJW liest, mit Begriffen wie „Spruchkörper“ um sich wirft, dem ist wirklich alles zuzutrauen. Man sagt ja: Der Jurist an sich ist noch kein schlechter Mensch - nur etwa die Hälfte von ihnen sind von Haus aus der natürliche Freund des Verbrechers.
Da wir jetzt alles geregelt haben, was sich regeln lässt, beschließen Eva und ich, einen kleinen Städtetrip zu machen und zwar nach:
Paris - Stadt der Liebe, Stadt der Verliebten. Romantik auf Rezept.
Ich war schon mal da. Mit einer anderen Frau, die jetzt keine Rolle mehr spielt. Ich kenne mich also ein wenig aus - perfekt, um Eindruck zu schinden. Aber wie immer, wenn ich versuche, Eindruck zu schinden, läuft’s girgendwie nicht.
Eva hatte in der Schule Französisch als Leistungskurs, war schon zehnmal in Paris - kennt jedes Arrondissement mit Vornamen.
Meine Französischkenntnisse dagegen? Etwa auf dem Niveau von voulez-vous un bonbon? und deux café noir, s’il vous plaît.
Wieder nichts mit dicke Hose. Keine Punkte fürs große Paris-Kino.
Ich weiß auch gar nicht, warum ich ständig versuche, sie zu beeindrucken. Wahrscheinlich auch wieder so ein Männerding. Der große Zampano, der weiß, wo’s langgeht. Brust raus, dicke Hose, wissender Blick. In Männerrunden funktioniert das.
Eva … lächelt nur. Ein ganz bestimmtes Lächeln. Nicht abwertend. Eher liebevoll - und ein bisschen zu klug. Ich liebe diese Frau. Weil ich bei ihr so sein darf, wie ich bin - ohne dafür abgestraft zu werden.
Ich hab sowieso den Eindruck, dass wir Männer evolutionär irgendwie benachteiligt sind. Unser Leben ist ein ständiger Wettbewerb. Immer muss einer gewinnen - der Rest geht leer aus.
Unsere Mütter erziehen uns schon
so. Unsere Lehrerinnen.
Und nicht zuletzt die Frauen, die wir
beeindrucken wollen.
Wir stellen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit unsere Schwanzfedern auf und praktizieren Imponiergehabe in allen Variationen. Weil wir glauben - oder hoffen - dass das bei Frauen gut ankommt.
Und ja - irgendwo muss es ja mal gewirkt haben, sonst hätte sich dieses Verhalten nie durchgesetzt. Eine andere Schlussfolgerung ist meinem Ego abträglich, also muss es wohl stimmen. Auch wenn moderne Frauen heute gerne abwinken, landen Zuneigung und Ressourcen doch meistens beim Sieger dieser Auseinandersetzungen.
Einen Adel der Loser gibt’s nicht. Schon gar nicht bei den Mädels.
Also benehmen wir Männer uns, wie wir uns benehmen - so sind wir konditioniert. Einziger Ausweg: Verzicht. Aber auch der will inszeniert sein: „Gnädige Frau, darf ich es wagen, Hand und Geleit Ihr anzutragen …“ funktioniert nach wie vor.
Alles für ein huldvolles
Lächeln. So sind wir Männer.
The
winner takes it all, the loser standing small …
Aber gut - zurück nach Paris.
Paris ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Aber im Frühling - da summt die Stadt wie ein Bienenstock. Straßencafés voller Sonnenanbeter, der Eiffelturm glänzt im Dunst und überall riecht es nach Parfüm und überteuertem Kaffee.
Der Eiffelturm ist übrigens wie der Grand Canyon: Auch beim zehnten Mal kommt man nicht dran vorbei. Pflichtprogramm.Immer wieder gut. Vom Hochhaus Montparnasse aus hat man eine fantastische Sicht über die Dächer der Stadt - inklusive Eiffelturm, ganz ohne Nackenstarre.
Am Abend dann: Sacré-Cœur. Oben auf dem Hügel von Montmartre. Auf den Stufen sitzen junge Leute, spielen Gitarre und singen in den Sonnenuntergang. Verliebte wo man hinsieht.
Später zieht es uns zum Place du Tertre - Künstler, Cafés, der unvermeidliche Geruch von frittiertem Ziegenkäse. Wer nicht aufpasst, wird von einem der unzähligen Pinselquäler in nur fünf Minuten für 40 Euro karikiert. Ich seh schon das Titelbild unserer Hochzeitsanzeige vor mir - mit überdimensionaler Nase.
Wir sitzen lange draußen,
beobachten das Pariser Nachtleben.
Hier ist Paris am
französischsten - wenn es so etwas gibt.
Nur neben uns: ein Paar aus
Sachsen - lautstark unzufrieden.
„Hier gibt's ja gar kein Biääääh!“, empört sich der Mann. „Mit Rotwein kann mer net bichln!“
Wir tun so, als verstehen wir kein
Wort. Die Kellner tun es uns gleich.
Muschde halt daheeme
bleibn.
Sächsischen Touristen begegnen wir in Zukunft noch öfter. Die wissen alles - besser natürlich und sie haben alles - in Sachsen. Der Gipfel: Ein sächsisches Paar am Bryce Canyon (Arizona), starrt von 2800 Metern Höhe in die Weite und ruft: „Du gugge mol doo - fast wie am Elbsandsteen!“
Aber den Running-Gag unseres Paris-Trips liefert Eva.
Ich versuche mich zu erinnern, wie dieser riesige Flohmarkt hieß, den ich ihr zeigen will und Eva hat eine Eingebung, zerrt mich in die Metro: „Ich weiß, was du meinst!“
Oben an der Oberfläche stehen wir - auf dem Friedhof Père Lachaise. Nicht ganz das, was ich gesucht hatte, aber beeindruckend ist’s trotzdem. Berühmte Namen, enge Wege, schwere Steine und ja - ist es nicht völlig egal, wo man Hand in Hand spazieren geht, wenn man verliebt ist?
Seither sagen wir nur noch: „Père Lachaise“, wenn sich einer von uns mal wieder irgendwo verlaufen hat. Wir sehen uns an und wissen genau, wo wir waren.
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