… und mein Glück ist perfekt. Sobald die Papiere da sind, reichen Eva und ich unseren Heiratsantrag im Rathaus ein. Das geht natürlich nicht ohne eine Lebendbescheinigung und den Nachweis, dass ich rechtskräftig geschieden bin. Das muss man sich mal vorstellen: Eva und ich müssen amtlich bescheinigen, dass wir am Leben sind! Wie man wohl seine Heirat angehen will, wenn man bereits tot ist … das sind Fragen, mit denen sich unsere Bürokratie offenbar nicht auseinandersetzt.
Wir sind beide entschlossen, unsere Hochzeit ohne viel Federlesens durchzuziehen. Wir verzichten ganz bewusst auf Junggesellenabschiede und Polterabend, weil uns beiden nichts daran liegt, mit Mitgliedern unserer Familien großkotzig zu feiern, die wir sonst geflissentlich ignorieren. Außerdem, sagt Eva, können wir für das Geld schon eine Harley anzahlen - mein Mädchen denkt ausgesprochen praktisch und hängt offenbar nicht an alten Bräuchen. So laden wir nur unsere Eltern und die Trauzeugen zum Essen in unser Lieblings-Steakhaus um die Ecke ein. Das ist uns Brauchtum genug.
Schwiegervater kann es zwar nicht lassen, wiederholt nachzufragen, wo er denn die Mischpoke hinbestellen soll, aber er fängt sich als Antwort immer nur ein: „Bezahl schon mal die Hochzeit und sag uns nur, wo wir hinkommen sollen.“ Eva droht außerdem ernsthaften Streit an, falls jemand Porzellan vor unserer Tür verlieren sollte. Aber Schwiegereltern lassen es sich nicht nehmen, zumindest einen Schuhkarton vor unserer Tür abzustellen, der ein paar Scherben enthält - so viel Glück ist kaum zu fassen.
Alles scheint planmäßig und zielgerichtet abzulaufen. Nur in der Nacht vor unserer Hochzeit kann Eva plötzlich nicht mehr schlafen. Sie stiehlt sich aus dem Bett und läuft so geräuschvoll hin und her, dass ich zwangsläufig ebenfalls wach werde. Es geht ihr offenbar nicht gut. Sie rennt immer wieder in die keramische Abteilung und gibt unschöne Geräusche von sich. Danach setzt sie sich vor den Fernseher und starrt auf das Testbild - das gab es damals noch während der Nacht. Muss ich mir etwa Sorgen um sie machen?
Ich setze mich zu ihr aufs Sofa, und wir genießen gemeinsam eine ganze Weile das Testbild. Zu Zeiten des analogen Fernsehens gab es als Untermalung dazu auch noch dieses einschläfernde „weiße Rauschen“. Ich nehme sie in den Arm, und nach einer schweigsamen Weile nickt sie tatsächlich ein. Ich bin allerdings jetzt hellwach, und das Testbild kann mich auch kein bisschen beruhigen. Meine Braut hat ganz offensichtlich Torschlusspanik.
Wir müssen ein Bild für die Götter abgegeben haben, wie wir da nackt Arm in Arm auf dem Sofa sitzen und uns vom Testbild berieseln lassen. Irgendwann werde ich das Gefühl nicht los, von unserem Bett regelrecht gerufen zu werden, und überrede die Frau meiner Träume, sich doch etwas bequemer einfach in die Federn zu betten. Ihre Panik scheint besiegt, und sie lässt sich schlaftrunken in das neue Bett verfrachten - wo wir anschließend fast unseren Hochzeitstermin verpassen.
Plötzlich werde ich aber doch noch wach und zerre meine Traumfrau unsanft aus dem Bett. „Aufstehen, mein Schatz - beim Standesamt warten die nicht!“ Wir stolpern aus dem Bett und kommen bei einer oberflächlichen Katzenwäsche doch noch mit kaltem Wasser in Berührung. Das weckt unsere Lebensgeister. Um 9:00 Uhr kommen meine Eltern und holen uns ab - als wäre das alles Routine.
Kaum sind wir in der Nähe des Standesamtes, stecken wir auch schon im Stau. Hier ist gefühlt seit 20 Jahren Stau, aber mein Vater schlägt uns eine „Abkürzung“ vor. Ein paar enge Straßen weiter stehen wir auch hier im Stau - und nichts geht mehr. Ich bin fertig mit der Welt, nur Eva ist die Ruhe selbst. „Schaffen wir das zu Fuß?“ fragt sie mich. Ich nicke eifrig, und wir verlassen fluchtartig das Auto.
Wir erreichen nur ein paar Minuten vor unserem Trauungstermin völlig erschöpft das Standesamt und treten verschwitzt, aber glücklich in den kleinen Raum. Hier warten bereits die beiden Trauzeugen, meine Eltern und die Schwiegereltern - ich bin fassungslos. Wie haben die das denn geschafft? Die Zeremonie fließt wie in Trance an mir vorbei, und ich wache erst wieder auf, als wir vor der Tür des Rathauses mit Reis beworfen werden. Ja kuck, das hätten wir auch vorher verhindern können - aber was soll's, jetzt wird ja alles gut.
Vor dem Rathaus treffen wir viele Freunde wieder - und auch jede Menge andere Betroffene, die wegen unseres Happy Ends drei Kreuze machen. Es werden die üblichen Fotos gemacht, die wir zwar meist gar nicht zu Gesicht kriegen, aber der gute Wille allein zählt hier schon.
Unsere kleine Truppe setzt sich - jetzt wieder im Auto - Richtung Steakhaus in Bewegung. Hier gibt es Parkplätze genug, und wir hauen unsere Zähne in argentinische Steaks vom Grill mit Mutanten-Kartoffeln und herrlicher Sourcreme. Dieses Steakhaus avanciert für lange Zeit zum Lieblingsrestaurant. Das hat wahrscheinlich nicht nur mit den Steaks zu tun - egal, wir sind rundherum satt und glücklich, und meine Ehefrau kann gar nicht mehr die Finger von mir lassen. Wird Zeit, dass wir wieder ins Bett kommen.
Was für ein aufregender Tag!
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