Ich hab’s ihr gesagt - mein Gott, ich hab’s tatsächlich getan! Natürlich nicht mit allen schmutzigen Details auf einmal - ich bin schließlich ein Mann und damit kommunikativ auf Konfliktvermeidung konditioniert.
Weiblichkeit Version 1.0
Mein Start mit dem weiblichen Geschlecht? Eher... grenzwertig. In der Vorschule gab’s da dieses eine Mädchen: Ute. Sehr körperbetont für eine Vierjährige, hat sich im Sandkasten voll eingebracht - buchstäblich. Sie war dann aber schneller wieder verschwunden, als man „Kindergartenküsse“ sagen konnte. Frauenlogik Version 1.0.
In der Schule ging's dann weiter mit der Serie verwirrender Begegnungen: Die Mädchen waren kichernde Gänse mit Glitzerstiften und Geheimnissen. Sie tuschelten, lachten, beobachteten - aber redeten nie mit uns. Niemand hat uns erklärt, was in ihren Köpfen vorging. Am wenigsten sie selbst. Das Weib blieb ein Rätsel mit rosa Federmappe.
Pubertät & Moped-Strategie
Die Pubertät war ein Desaster. Die Mädchen? Zart, duftend, glitzernd - und komplett desinteressiert an Typen wie mir: schlaksige Gliedmaßen, Akne wie ein Streuselkuchen, und eine Stimme, die alle paar Stunden die Tonlage wechselt.
Wer kein Model war, war unsichtbar und ich war sowas wie der Unsichtbarkeitsbeauftragte. Als die ersten Fummelpartys in dunklen Kellern stattfanden, stand es für mich fest: Ich brauch einen Plan.
Der
erste Versuch: Liegestütze. Effekt: Null.
Der zweite Versuch:
Moped. Treffer.
Ich bat meinen Vater, mir beim Schrauben zu helfen - und plötzlich restaurierten wir zusammen ein altes Moped, mit dem er vorher nur die Maulwürfe auf unserem Rasen ausgeräuchert hatte. Er glaubte, ich hätte plötzlich Interesse an Technik entwickelt. Ich wollte einfach nur endlich bei den Mädels landen und siehe da: Ein Moped ist wie ein magischer Schlüssel. Plötzlich wollten die Mädchen mitfahren - und manchmal sogar mehr.
Sylvi
So lernte ich auch Sylvi kennen. Wir trafen uns auf irgendeiner Kellerparty, wo die Musik zu laut und der Alkohol zu billig war. Aber unter ihrem Pullover hatte Sylvi einiges zu bieten - und mehr noch: sie hatte Haltung, Energie, Präsenz.
Sie mochte mich. Ich mochte sie. Und irgendwann wurde daraus mehr. Eine Beziehung. Dann eine Gewohnheit. Dann Ehe. Nicht aus Kalkül, nicht aus Druck - es schien einfach richtig. Damals.
Sylvi war nie leicht - aber sie war stark. Sozialpädagogin mit Elefantengedächtnis, scharfem Blick und klaren Vorstellungen. Manchmal zu klar für meinen Geschmack.
Wahrheiten konnte sie nur in homöopathischen Dosen ertragen - vor allem dann, wenn sie selbst betroffen war.
Ich glaube, ich habe irgendwann aufgehört, wirklich mit ihr zu sprechen - nicht aus Desinteresse - aus Selbstschutz.
In einem Haus, in dem jedes Wort falsch verstanden werden kann, lernt man zu schweigen. Unsere Ehe wurde leiser und das, was mal Nähe war, verwandelte sich in Misstrauen mit Wochenendstruktur.
Ich will hier raus
Ich bin ein Feigling. Kein Held, kein Rebell - einfach nur ein Mann mit Fluchtreflex, wenn's emotional knirscht.
Wenn
ich was sagen muss, was wehtut, dann mache ich das, was
wahrscheinlich alle Männer in Beziehungen so machen:
- Ich verniedliche.
- Ich relativiere.
- Ich verteile die Schuld auf mehrere Schultern - idealerweise auch auf welche, die nicht im Raum sind.
Die Wahrheit ist: Ich will hier raus. Nicht, weil ich ein schlechter Mensch bin und auch nicht, weil Sylvi ein schlechter Mensch ist. Sondern weil wir längst keine gemeinsamen mehr sind.
Mein Leben fühlt sich falsch an. Als würde ich in der falschen Wohnung leben, mit der falschen Garderobe, dem falschen Ton auf den Lippen. Ich will ein neues Leben - nicht laut, nicht dramatisch. Einfach anders.
Und trotzdem ist da diese Stimme im Kopf: „Du bist zu jung für eine Midlife-Crisis.“ Mitte dreißig. Das ist doch das Alter, in dem man sich was aufbaut, aber keine Grundmauern einreißt. Aber was, wenn das, was ich da aufgebaut habe, gar nicht zu mir passt?
Ich bin müde davon, Sätze zu sagen, die mir später um die Ohren fliegen. Müde davon, Dinge zu denken und zu fühlen, die ich nicht aussprechen darf. Ich will keine Rhetorik-Fallen mehr in meinem eigenen Wohnzimmer.
Ich will Luft. Raum. Und wenigstens einmal im Leben einen Satz sagen dürfen, der voll daneben ist, aber doch so stehenbleiben kann - meine Güte!
Eva
Und dann war da plötzlich Eva. Kein Knall. Kein Drama. Kein Augenblick mit Geigenmusik. Einfach nur da.
Wir kannten uns schon eine Weile - Nachbarn, Kollegen, Gesprächspartner auf der Flucht vor dem eigenen Alltag. Eva war kein Engel. Kein Gegenbild zu Sylvi. Keine Projektionsfläche. Sie war einfach ein Mensch, bei dem ich atmen konnte.
Wir sprachen. Nicht über die großen Dinge. Sondern über alles, was zwischen den Zeilen liegt. Arbeit, Müdigkeit, Lieblingsbier, verpasste Chancen. Keine Therapiesitzungen. Kein Gefühlszirkus. Nur zwei Menschen, die sich zuhören.
Und ich merkte, wie sich etwas in mir sortierte. Da war kein Krampf, kein Versteckspiel, kein ständiges Was darf ich sagen, ohne dass es eskaliert? Ich war einfach ich. Ohne Performance, ohne Taktik.
Das Erstaunlichste war: Das reichte. Ich musste niemand sein. Ich musste nicht einmal interessant sein. Ich durfte einfach sein.
Ich weiß nicht, wann genau es passierte - dieser Moment, in dem sich aus Gesprächen Nähe formte. Aber irgendwann saßen wir nebeneinander, ohne zu reden. Und es war trotzdem nicht still. Das war neu für mich und verdammt kostbar.
Nähe
Es war kein Date. Es war ein Bummel durch die Düsseldorfer Altstadt. Zwei Menschen, die sich kennen, mögen, brauchen - ohne genau zu wissen, was das eigentlich genau ist.
Wir reden. Trinken. Lachen. Nicht über tiefgründige Themen, sondern über alles, was man mit genug Altbier plötzlich wahnsinnig komisch findet. Irgendwann, nach einem halben Liter zu viel, sieht sie mich an und sagt:
„Sag mal… was muss ein Mädchen eigentlich tun, um in den Genuss von ein paar Streicheleinheiten von dir zu kommen?“
Ich brauchte zwei Sekunden, um zu kapieren, dass sie das nicht ironisch meinte. Und weitere drei, um meine Motorik in Gang zu bringen. Dann war da nur noch Haut. Wärme. Bewegung.
Es war kein Sex wie aus einem Ratgeber. Keine orchestrierte Nummer. Es war: Hast du auch? Ja. Dann los.
Wir stolperten übereinander, ineinander, miteinander, was dann irgendwann zum Zusammenbruch ihres antiken Bauernbettes führte. Und ich weiß noch, dass ich dachte: Das ist neu. Das ist... richtig. Nicht, weil es technisch besonders war, sondern weil es nichts beweisen musste.
Wir schliefen nebeneinander ein wie zwei, die endlich dort lagen, wo sie schon viel früher hätten landen können.
Die Trennung
Am Montagmorgen fahre ich nach Hause. Es ist ein ganz normaler Tag. Nur dass nichts mehr normal ist.
Die Straßen sehen aus wie immer. Ich nehme dieselbe Ausfahrt. Parke auf demselben Platz. Aber ich steige aus, als wäre ich jemand anders. Als wäre ich in meinem eigenen Leben nur noch zu Besuch.
Drinnen riecht es nach Sylvi. Nach Weichspüler, Sojawachs und dieser Cremeseife, die mich seit Jahren anbrüllt: „Bleib hier! Du gehörst hierher!“ Aber ich weiß jetzt: Das stimmt nicht mehr.
Sie sitzt in der Küche, Laptop auf dem Schoß, Brille auf der Nasenspitze. Es ist einer dieser Alltagsmomente, die man nie vergisst, weil sie aussehen wie jeder andere - aber alles verändern.
Ich
atme. Tief. Dann sage ich es.
„Ich
will die Trennung. Schnitt. Aus. Basta.“
Sie sagt nichts. Nicht sofort jedenfalls. Dann steht sie auf, geht am Tisch vorbei, stellt ihre Tasse in die Spüle. „Aha“, sagt sie. Ohne Punkt, ohne Fragezeichen.
Ich bleibe stehen wie bestellt und nicht abgeholt. Ich habe nicht erwartet, dass sie weint. Aber vielleicht, dass sie irgendwas tut. Irgendwas, das nach Reaktion aussieht. Stattdessen: nur Stille und ein leichtes, metallisches Klirren von Porzellan auf Edelstahl.
Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll. Ich weiß nur: Ich habe den Satz gesagt, der alles verändert. Und zum ersten Mal seit Jahren habe ich nicht das Gefühl, dass ich dafür gleich den Preis zahle.
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